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DER TRICHTER

Der vierte und voraussichtlich fünfte Teil des Bilder-Romans "Der Mann mit der roten Jacke" spielt im Osten Mitte der 1990er Jahre.

Begonnen habe ich damit parallel mit der Fertigstellung von Teil drei im September 2021. Hier im Bild die Südstadt von Leipzig, links Karl-Liebknecht-Straße Richtung Connewitz.

Der Mann mit der roten jacke taucht hier wahrscheinlich um 1995 das erste Mal auf auf.

 

 

 

 

Leipzig Südstadt (rechts)

Aquarell auf Büttenpapier ca. 40/40cm auf DINA2

Zähler, Gas und Strom 1996 (unten)

Collage/Aquarell auf Büttenpapier ca. 30/50cm

01 der Trichter - Leipzig
Strom

Über uns ein baligelber Himmel.

   1989 versammeln sich immer mehr Leipziger bei den Montagsdemonstrationen. Die friedlichen Demonstranten treffen sich zuerst in Kirchen, dann am Karl-Marx-Platz und ziehen später zu hunderttausenden um den Altstadtring. Dann im Herbst kommt die lang ersehnte Wende, der Sozialismus geht unter! Bereits zuvor hatten viele junge Bewohner die Stadt verlassen und waren im Westen untergekommen. Die Verlierer sammeln sich an den Stehtischen der verlotterten Lokale und stürzen billiges Bier in sich hinein. Rauchen Karo und F6. Aber, die Kräne der Bauunternehmer beginnen sich unmerklich schneller zu drehen. Das Flutlicht der unzähligen Baustellen erhellt die Nacht. Die maroden Mauern werden neu verputzt, das graubraun weicht einem harten Alpinaweiß. Anfangs noch brennt hin und wieder ein Fahrzeug aus, aber langsam verschwinden die Ladas, Skodas und der Trabant aus dem Straßenbild. Es wird dauern, jedoch: Leipzig kommt.

   Nach dem dritten Teil „im SCHLUND“ beschließt der Mann mit der roten Jacke, Mitte der 1990er Jahre in der Anonymität einer Großstadt abzutauchen. Die Messestadt Leipzig ist im Umbruch, dort angekommen ist es schwierig an eine günstige und bewohnbare Unterkunft zu kommen. Im Milieu der Südstadt unter Hausbesetzern, Hobbyphilosophen, Linksautonomen, Skins, Messehostessen, Systemverweigerern und Wendehälsen taucht er ab. Das Angebot einiger Punks in einem Abbruchhaus ein Zimmer zu beziehen, steht im Raum. Die achtlos herum liegenden Spritzen, der billige Fusel und die Feuchtigkeit sind ihm zu wieder, er schlägt das Angebot ab.

   Als endlich eine Bleibe gefunden ist bricht der Winter über die Stadt und hüllt alles in eine weiße Winterlandschaft. Nachdem die erste Kohlelieferung im falschen Abteil gelandet ist, müssen die Briketts umgeschichtet werden. Spät abends, nachdem er ein kleines Schloss angebracht hat, fällt er ermüdet auf seine Matratze. Am nächsten Morgen ist der Keller aufgebrochen und die Kohle weggeschafft. Die Temperaturen fallen für Wochen unter Null und die Außentoilette friert komplett ein. War es möglicherweise doch ein Fehler hier im Osten sein Glück zu versuchen?  Nach einem langen Winterspaziergang kommt er spät Nachts zurück, auf der Schwelle zu seiner Wohnung hat man ein Paket abgestellt, ohne es zu öffnen glaubt er den Inhalt zu kennen…

   Die Wolkenmaschine im Südosten der Stadt arbeitet Tag und Nacht. Der von den Nächten verwaschene schwefelgelbe Morgen wird von einem baligelben Abendglühen abgelöst. Graue Fassaden mit leeren Augen starren einen an. Der Braunkohlestaub hängt in allen Fugen. In einer Seitengase kann man schnell an ein par üble Typen geraten. Ein rechtsfreier Bereich hat sich aufgetan. Jeder ist sich selbst der nächste. Aber dann taucht dieses unverschämt gutaussehende Leipziger Mädel auf: Kessy (…)

September 2021, C.P.

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